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DAS MODERNE SEMINARZENTRUM
IN HISTORISCHEN RÄUMEN
IM ZENTRUM VON WIENER NEUSTADT


Weihnachten wie früher

© Julia Schnizlein

von Julia Schnizlein

"Selbst beim allerersten Weihnachtsfest war nichts so, wie es sein sollte.

Nichts so, wie es immer schon war. Nichts war idyllisch, nichts war heil. Weihnachten war ein Skandal ...

Früher war alles besser

Früher, so sagen viele, gab es weniger Kommerz und weniger Kitsch, heute hingegen scheinen Vorweihnachtszeit, Advent und Weihnachten ineinanderzufließen. Viele sind am 24. Dezember bereits völlig gestresst von all den Weihnachtsfeiern und können Kekse und Glühwein nicht mehr sehen. Gleichzeit ist sie da - diese Sehnsucht nach Reduktion, nach Innehalten und Besinnung. Die Sehnsucht nach einem "Weihnachten wie früher".

Aber war denn früher wirklich alles besser? Natürlich nicht. Um das zu wissen, genügt ein Blick in die Geschichtsbücher. Auch die adventliche Fastenzeit war in vielen Familien alles andere als freiwillig, gutes Essen und Geschenke konnte man sich schlicht nicht leisten.

Was genau meinen wir also, wenn wir uns nach der "guten alten Zeit" und einem "Weihnachten wie früher" sehnen? Weihnachten, so scheint es, berührt einen Sehnsuchtsnerv in unserem Innersten. Es weckt die Sehnsucht nach einer "heilen Welt". Das wohl bekannteste Weihnachtslied der Welt, "Stille Nacht", besingt diese Sehnsucht.

Heilige Patchwork-Familie

© Peter Maurer

"Stille Nacht" ist also ein Sehnsuchtslied und beschreibt ein Idyll, das es so in Wahrheit nie gab. Denn die besungene Heilige Nacht war auch alles andere als heil. Der Sohn Gottes kam nicht als blondgelockter Engel unter einem heimeligen Christbam zur Welt, sondern in einer Notunterkunft, als orientalisch-jüdischer Säugling. Hineingeboren in eine für alle Beteiligten schwierige Patchworksituation. Mit einer blutjungen Mutter und einem Vater, der nicht der leibliche war. In Empfang genommen von Hirten, den sozial Geächteten und Außenseitern der Gesellschaft, verfolgt vom Machthaber, für den die Geburt Jesu Provokation und Bedrohung war. Selbst beim allerersten Weihnachtsfest war also nichts so, wie es sein sollte. Nichts so, wie es immer schon war. Nichts war idyllisch, nichts war heil. Weihnachten war ein Skandal.

Sehnsucht nach einem Ort, an dem Frieden und Liebe herrschen

Das "Weihnachten wie früher" - so wie wir uns das vorstellen - gibt es nicht und gab es auch nie. Und das ist doch irgendwie tröstlich. Die Sehnsucht, die wir spüren, wenn wir die "guten alten Zeiten" romantisieren oder von der stillen Heiligen Nacht singen, ist in Wahrheit die Sehnsucht nach einem Ort, an dem Frieden und Liebe herrschen, nach einem Zustand der Geborgenheit und Harmonie. Es ist die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Die Sehnsucht nach der Gegenwart Gottes, von dem die Bibel erzählt, dass Gott die Liebe ist, "und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm" (1. Johannes 4,16).

Weihnachten bedeutet also nicht, dass alles perfekt und harmonisch sein muss. Im Gegenteil. Unsere Weihnachtssehnsucht kann auch nicht mit Tannenduft, Kerzenschein, "Stille Nacht" und Geschenken gestillt werden. Weihnachten ist nicht die Abwesenheit von Problemen, sondern die Anwesenheit Gottes in allem Chaos, in allem Stress, in aller Sehnsucht, in allem was schmerzt und niederdrückt. Und wo Gott ist, da ist genug Lametta, da ist Weihnachten.

(Furche 51/52-2024 Seite 3)

(red)



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